In Teil I dieser kleinen Reihe sprach ich über das Sammlen und erarbeiten von Ideen und das Schreiben von Teilen.
Wie gelesen, erarbeite ich mir schließlich durch unplugged Spielen und Fantasieren des Liedes im Kopf Teil für Teil und hänge diese einfach erst einmal hintereinander. Sobald ich drei bis vier Teile habe, fange ich mir an darüber Gedanken zu machen, welche Teile hier “Strophe”, “Chorus”, “Rockpart” oder “Break” sein könnten. Wenn ich die Teile dann so hintereinander hänge und spiele, entsteht häufig ein Grundgerüst, mit dem man dann schon mal als Entwurf arbeiten kann. Häufig sieht das nach einem der gängigen Schemen aus z.B.:
Rockpart, Strophe, Pre-Chorus, Rockpart, Strophe, Pre-Chorus, Chorus, Break, Rockpart (variiert)
(wie z.B. in „Chase“)
Oder
Strophe, Rockpart, Strophe, Pre-Chorus, Chorus, Break, Rockpart, Chorus
(wie z.B. in „Hide/Seek“)
Oder
Chorus, Strophe, Pre-Chorus, Rockpart, Strophe, Break, Outro
(wie z.B. in „NG+“)
Man beachte, dass in den meisten Fällen Intro und Outro noch nicht dabei sind – dazu komme ich später. Diese Schemen lösen wir im Laufe des Songwritings manchmal auch auf, oder fügen noch Teile ein. Ich versuche immer darauf zu achten (gelingt nicht immer), dass sich ein roter Faden erkennen lässt und Teile, selbst wenn sie später noch mal variiert auftauchen, irgendwie wiederzuerkennen sind.
Dann mache ich mich dran, das ganze mal Quick und Dirty aufzunehmen (meiste via Handy direkt in Garageband (iOS)). Ich touche mir ein einfaches Schlagzeug dazu und schicke den Entwurf dann Constantin zu. Dabei erstelle ich ihm eine Version mit und eine ohne Schlagzeug. Constantin hört sich dann erst einmal die Version ohne Schlagzeug an und probiert, welche Beats dazu passen könnten. Wenn ihm mal nichts einfällt oder er wissen möchte, wie ich mir den Teil vorgestellt habe, hört er sich die Version mit Schlagzeug an. Wenn wir uns dann später gemeinsam an das Lied setzen (während des Lockdowns geschieht das via Videochat), gehen wir zusammen Teil für Teil durch und überlegen, ob wir wirklich alle brauchen – häufig schmeißen wir hier noch mal gut 30% des Liedes in den Recycling-Tonne, um diese Teile eventuell für ein anderes Lied wiederzuverwerten.
Übergänge
Wenn wir die Lieder im Proberaum dann tatsächlich mal spielen, üben wir zunächst zusammen jeden Teil, bis er halbwegs sitzt. Dann stecken wir die Teile zusammen und hier passiert dann das, was mir beim Songwriting fast am wichtigsten ist: die Übergänge. Es gibt viele Möglichkeiten, Teile aneinanderzuhängen, z.B.:
· Durch ein Schlagzeug-Fill am Ende eines Teils
· Durch Einleiten der Melodie vom nächsten Teil im vorherigen Teil
· Durch Abändern des Riffs in der letzten Wiederholung, wobei man die Töne oder den Rhythmus schon mal an den nächsten Teil anpasst
· Durch eine Bridge, z.B. 2-4 Taktschläge, die einfach dazwischen gesteckt werden und mit einem Lauf oder Rhythmus oder Beat gefüllt werden
· Durch ausklingen lassen des Riffs, zu dem der Beat des nächsten Teils einsetzt
Manchmal geschieht das ganz zufällig – und das sind oft die besten Übergänge. Manchmal knobelt man daran sehr lange. Manchmal länger, als eine Probe dafür zulässt. Deshalb nehmen wir, sobald wir einen Teil oder auch eine Reihe von Teilen halbwegs sauber zusammen spielen können, das Ganze mit einem mobilen Rekorder (Raummikrofon) auf. Diese Aufnahme hören wir uns dann wieder so oft an, bis neue Ideen kommen. Das sorgt entweder dafür, dass wir das Lied noch mehr reduzieren, wir gute Lösungen für Übergänge finden, oder feststellen, dass wir das Lied bisher ganz falsch verstanden haben. Dann kann man mal probieren, was passiert, wenn man den Effekt wechselt – statt verzerrt spielt man mal clean, oder statt des ganzen Akkords nur den Basston, oder einen Teil nur den Bass spielen lassen, oder nur die Gitarre. Hier kann man einfach ausprobieren, und weil das zu zweit mit einer Gitarre und einem Schlagzeug so einfach ist zu jammen, kann man selbst an den Tonfolgen einfach mal während des Spielens rumschrauben.
Aus einer guten Bridge bzw. einem guten Übergang lässt sich dann am Ende auch sehr häufig schon das Outro formen. Einfach an den jeweiligen Teil wieder die entsprechende Bridge oder Übergang hängen, mit passendem abschließenden Ton und Beat versehen, fertig.
Intro/Outro
Ironischer Weise entsteht das finale Intro meistens erst ganz am Ende vom Songwriting. Für mich (und vermutlich ist es so generell vorgesehen) dient das Intro dazu, schon mal einen Vorgeschmack zu liefern. Da gibt es wieder verschiedene Ansätze, die je nach Lied oder Geschmack genutzt werden könnten:
· Die Töne der Break anklingen lassen, clean statt verzerrt
· Den Rockpart zwei Takte anspielen nur auf Gitarre oder Bass anspielen, dann den Rockpart voll Möhre hinter her
· Nur einen Teil des Rockparts als Wiederholung zu einem Intro bauen, in dem man dabei immer Laute wieder
· Den Chorus oder die Strophe clean spielen
· Die Beat des ersten Teils anspielen
Der Fantasie sind wie immer keine Grenzen gesetzt, und jede dieser Möglichkeiten hat eine andere Wirkung. Wenn man eine melodische Break clean und mit viel Gefühl und Zeit gespielt an den Anfang eines Lieder setzt, erzeugt das bei mir das Gefühl von “das ist das große Ziel, auf das das Lied hinaus will, da müssen wir hinkommen”, während z.B. den Rockpart als Intro zu nehmen meist weniger verträumt und dafür aggressiver wirkt. Den Chorus als Intro z.B. in weich gespülter Form zu nehmen kann dazu führen, dass man sich gleich mit “Thema” bzw. der Stimmung des Songs vertraut machen kann.
Das Outro dagegen soll für mich dafür sorgen, dass man die vertrauten Teile aus dem Lied jetzt hübsch verpackt abliefert wie ein Abschiedsgeschenk.
In viele Liedern kommen wir da ganz intuitiv hin. Eine Chorus noch mal spielen nur mit mehr Becken und mehr Tönen und lauterer Anschlagdynamik oder offenerem Rhythmus ist eine recht gängige Variante. Oder man schnappt sich den Rockpart noch mal, spielt davon nur eine Teil und ohne aufregende Grundtonwechsel im Loop. Wichtig ist für mich hier immer, dass 1. das Outro nicht komplett aus heiterem Himmel kommt – ich löse das gern damit, dass ich aus dem Lied bereits bekannte Übergänge nutze – und 2. das Lied auch nicht einfach schlagartig aufhört. Manche finden das gut und wollen damit überraschen. Ist auch witzig, aber für mich hinterlässt das häufig ein unbefriedigendes Gefühl – dabei bin ich aber keineswegs abgeneigt von einem offenen Akkord oder Ton am Ende.
Und damit möchte diese zweiteilige Reihe des Blogs gerne abschließen. Am Ende sollen diese ganze Dinge nur für Ideen sorgen und eurer Kreativität eine Anstoß geben, falls ihr mal beim Songwriting nicht weiterkommt.
Lasst uns doch gern per Kommentar wissen, wie das für euch funktioniert, oder auch, wie ihr das Songwriting angeht. Wir freuen uns über jegliche Feedback und regen Austausch! 🙂